TEIL II - Die Wasser-in-Öl = W/O-Emulsion (NATURKOSMETISCHE FORMULIERUNGSKONZEPTE UND RAHMENREZEPTUREN)

ÜBERBLICK ÜBER DIE FORMULIERUNGSKONZEPTE TEIL I Du liest TEIL II - Die Wasser-in-Öl = W/O-Emulsion (NATURKOSMETISCHE FORMULIERUNGSKONZEPTE UND RAHMENREZEPTUREN) 11 Minuten Weiter TEIL III - Wasserfreie Formulierungen - Balsame, Ölgele und Ölmischungen

Die W/O - Emulsion

In dieser Formulierung umschließen die Fettmoleküle die Wassermoleküle, die in kleinsten Wassertröpfchen im Öl schwimmen. 

Wasser in Öl heißt also, das Wasser schwimmt in der Ölphase, die in dieser Formulierung die "Dominante" ist, also den Ton angibt, das bedeutet:

Der Grundcharakter einer W/O - Emulsion wird von der Ölphase bestimmt.

Die Ölphase wurde (und wird teils immer noch) auch als Fettphase bezeichnet - das ist dasselbe.

In der Ölphase werden folgende Rohstoffe verarbeitet:

Pflanzenöle

Es gibt unter der großen Gruppe der Pflanzenöle welche, die sehr gut temperaturstabil sind und daher in der Fettphase verarbeitet werden können (diese werden bei uns als "Basisöle" bezeichnet), jedoch gibt es auch eine Vielzahl der kostbaren "Wirkstofföle", die erst der abgekühlten Emulsion (bei Handwärme) zugegeben werden. 

Dies sind meist unraffinierte, intensiv duftende und völlig naturbelassene Öle, die oft auch nur tröpfchenweise eingearbeitet werden (z.B. Sanddorn-Fruchtfleischöl, Wildrosenöl, Granatapfelsamenöl uvm.)

Pflanzenöle, die nicht hitzeempfindlich sind (sogenannte "Basisöle", wie zum Beispiel Arganöl, Jojobaöl, Macadamianussöl, Mandelöl, Reiskeimöl, Erdnussöl, Sesamöl, Sojaöl, Kokosöl, Wiesenschaumkrautöl, Distelöl uvm.), werden der Fettphase zugegeben.

Pflanzenbuttern 

Pflanzenbuttern sorgen in der Emulsion für ein reichhaltiges und rückfettendes Hautgefühl und sind eine wichtige Pflegekomponente besonders für trockene und feuchtigkeitsarme Haut.

Alle Pflanzenbuttern wie Sheabutter, Kakaobutter, Olivenbutter, Mangobutter, Cupuacu-Butter sind hitzeempfindlich, müssen jedoch in der etwas abgekühlten Ölphase geschmolzen werden, um in einer kosmetischen Formulierung weiterverarbeitet werden zu können.

Wachse & Konsistenzgeber

Wachse sorgen ebenso für ein rückfettendes und schützendes Hautgefühl - sie machen die Emulsion auch "dicker" - erhöhen also die Viskosität einer Emulsion und schützen die Haut vor Feuchtigkeitsverlust. Bei der Dosierung sollte man jedoch etwas aufpassen, damit sich die Creme nicht zu "wachsig" anfühlt und gut einziehen kann.

Die maximale Einsatzkonzentration für eine "normale" Emulsion beträgt maximal 2 % der Gesamtformulierung, meist liegt die Einsatzkonzentration bei 0,5 - 1 % der Gesamtmenge.

Auch Wachs-Ester* und Fettalkohole* (wie z.B. Cetylalkohol, Walratersatz und Myristyl-Myristat erfüllen diese Aufgabe. Zudem haben sie den Vorteil, dass sie die Emulsion beim Emulgieren unterstützen - sie haben demnach eine ko-emulgierende Eigenschaft.

Ein Stoff wird als Wachs bezeichnet, wenn er bei 20 °C knetbar, fest bis brüchig hart ist, eine grobe bis feinkristalline Struktur aufweist, farblich durchscheinend bis opak, aber nicht glasartig ist, über 40 °C ohne Zersetzung schmilzt, wenig oberhalb des Schmelzpunktes leicht flüssig (wenig viskos) ist, eine stark temperaturabhängige Konsistenz und Löslichkeit aufweist sowie unter leichtem Druck polierbar ist. (1) In geschmolzenem Zustand sind sie dünnflüssig und nicht fadenziehend.

Wachse können pflanzlicher (Beerenwachs, Carnaubawachs, Candellilawachs, Jojobawachs etc.) oder tierischer Herkunft sein (Bienenwachs etc.); verarbeitet werden sie alle in der Ölphase. Die Schmelzpunkte sind unterschiedlich - sie liegen bei ca. 60°C -75°C.

* Unter Wachs-Ester versteht man die Ester von Fettsäuren (auch Wachssäuren genannt). Fettalkohole finden sich in natürlichen Wachsen, gebunden als Carbonsäure-Ester (z.B. Wollwachs und Walrat-Ersatz). Eine präzise Abgrenzung zwischen Wachssäuren und Fettsäuren gibt es nicht, da beim Aufbau einiger Naturwachse auch typische Fettsäuren, wie Palmitin- und Stearinsäure, beteiligt sind.

Konsistenzgeber

Als Konsistenzgeber bezeichnet man Rohstoffe, die der kosmetischen Formulierung ihren "Körper", also Festigkeit und Konsistenz verleihen. Konsistenzgeber können aus unterschiedlichen Rohstoff-Gruppen kommen - der Klassiker ist wohl das bekannte Lanolin (das Wollfett der Schafe), aber auch Pflanzenbuttern, Wachse und die meisten Emulgatoren haben eine konsistenzgebende Wirkung.

Emulgatoren

Damit die Emulsion sich nicht wieder in ihre beiden Bestandteile trennt, benötigt man sogenannte Emulgatoren. Dies sind Vermittler zwischen Fett und Wasser, denn diese Stoffe haben eine fettliebende (lipophile) und eine wasserliebende (hydrophile) Komponente. So kann das System stabil bleiben und eine Ausflockung verhindert werden.

Emulgatoren sind in der Kosmetik Hilfsstoffe, die die Öl- und Wasserphase dauerhaft miteinander verbinden. In der Regel basieren unsere Emulgatoren auf pflanzlichen Fetten wie Palmkernöl, Kokosöl und Rapsöl. Vermehrt kommen auch aus Kokosfett gewonnene Glycerin-Fettsäure-Verbindungen (z.B. Glyceryl Stearat, Glyceryl Laurate) zum Einsatz. 

Die meisten "klassischen" Emulgatoren werden in der Ölphase mitgeschmolzen (z.B. Emulsan, Lamecreme, Cetylalkohol, Ccetearyl Alkohol, Glycerin Stearat SE, Wollwachsalkohol etc.). Sie haben meist einen Schmelzpunkt von ca. 50°-65°C.

Bitte beim Rühren beachten
  • Bei W/O Emulsionen wird die Wasserphase tröpfchenweise in die Ölphase eingeträufelt und immer gut verrührt, bevor der nächste „Schluck“ Wasserphase hinzukommt. Die Wasserphase muss sehr langsam eingearbeitet werden.
  • Sehr hochtourige und schnelle Verarbeitungsmethoden mag dieser Emulsionstyp gar nicht und könnte dadurch sehr beleidigt sein!

Die Eigenschaften einer W/O - Emulsion

  • besonders hoher Anteil an hautpflegenden Pflanzenölen, Buttern & Wachsen.
  • sehr zu empfehlen bei trockener, rissiger, schuppiger Haut.
  • eignen sich für schützende Formulierungen (klassische Cold-Cream, Winterformulierungen, intensive Hand- und Fußcremen, Schrundencremen, Cremen bei sehr trockenen Hautstellen, für trockene Haut besonders im Winter, wenn Heizungsluft und Kälte der Haut zu schaffen macht).
  • in der Gesichtspflege die klassische "Nachtcreme", die intensiver, wirkstoffreicher und vor allem ölhaltiger ist als eine leichte Tagescreme

Beeinflusst der Emulgator die Haptik der Emulsion?

Ja, der Emulgator beeinflusst ganz wesentlich die Haptik, also das Auftragsverhalten einer Emulsion, denn jeder Emulgator hat spezielle Eigenschaften und eine besondere Zusammensetzung, die sich wiederum in der Emulsion widerspiegelt.

So gibt es Emulgatoren, die filmbildend und sehr pflegend, fast schon rückfettend sind, andere wiederum bilden leichte, schnell einziehende und mattierende Emulsionen.

Geeignete Emulgatoren für die W/O-Emulsion bei einer Fettphase ab 25 %

  • HLB 1 (wirkt nur schwach grenzflächenaktiv): Cetearyl Alcohol (LanetteO®)
  • HLB 4: Lanolin Alcohol (Wollwachsalkohol)
  • HLB 4: Glyceryl Stearate, Sorbitan Stearate
  • HLB 4,7: Olivem900/Olivem 1000
  • HLB 5: Lysolecithin E60
  • HLB 7: Fluidlecithin Super
  • HLB 8: Lamecreme
  • HLB 8: Xyliance

Du wirst bei den Rahmenrezepturen feststellen, dass einige Emulgatoren für bestimmte Formulierungen gut geeignet sind, obwohl sie am Papier nicht den klassischen HLB-Wert dafür aufweisen.

Wie im ersten Kapitel bereits besprochen, spielt der HLB-Wert in der selbst gerührten Kosmetik keine große Rolle - wesentlich ist, dass die Emulsion stabil bleibt und sich angenehm auf der Haut anfühlt.

Nur ein Emulgator?

Um die Emulsion verlässlich stabil zu halten, verwenden wir meistens zwei Emulgatoren in Kombination. 

Dabei hat einer die Aufgabe, sich um die Fettmoleküle zu kümmern, und der andere stabilisiert die Wasserphase, sodass eine "enge" und stabile Beziehung zwischen den beiden entstehen kann.

Bei dieser Kombination kommt es sehr häufig vor, dass W/O-Emulgatoren gemeinsam mit O/W-Emulgatoren in der Rezeptur verwendet werden.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich für einen Emulgator zu entscheiden und die Wasserphase mit einem Gelbildner (Xanthan, Cosphaderm®, BergaMuls®, Natrosol®) zu stabilisieren.

Sinnvolle Kombinationen für W/O - Emulsionen

(1) Emulgator und Co-Emulgator mit konsistenzgebenden Eigenschaften

(2) Emulgator und Gelbildner, der die Wasserphase stabilisiert

Die Rahmenrezeptur der W/O-Emulsion

Die klassische Rahmenrezeptur einer W/O Emulsion ist das Grundgerüst der klassischen "Creme" und sollte natürlich mit weiteren Rohstoffen und Wirkstoffen verfeinert werden, jedoch dient diese Rezeptur als gutes Grundgerüst.

Grundformulierung mit 25 % Fettphase

Eine Grundformulierung mit 25 % Fettphase ist die klassische Feuchtigkeitscreme - Gesichtscremen, Handcremen und Körpercremen. Diese Formulierungen haben einen ausgewogenen Anteil an Buttern/Wachsen und der Fettphase und ziehen trotz der pflegenden Wirkung sehr schön ein, ohne einen intensiven Fettfilm zu hinterlassen.

  • 25 % Lipide (Basisöle, Wirkstofföle, Buttern)
  • 21 % Basisöle
  • + 2 % Wirkstofföle
  • + 2 % Buttern
  • 1 % Wachse
  • 2 % Emulgator W/O (Montanov® 68, Lanolin, Wollwachsalkohol, Emulsan*, Temulgator, )
  • 2 % Konsistenzgeber wie Cetylalkohol, Walrat-Ersatz, Myristyl-Myristat, Cetearyl-Alcohol (Lanette O®), Glyceryl-Stearate SE
  • 70 % Wasser/Hydrolate

Auch mit Xyliance, einem traditionellen, aber sehr beliebten Emulgator lassen sich wunderbar nährende Cremen herstellen.

Für eine satte, nährende Intensivcreme eignet sich folgende Formulierung:

  • 20 % Fettphase
  • 5,5 % Xyliance

oder wenn die Formulierung noch intensiver sein soll, dann

  • 25 % Fettphase
  • 10 % Sheabutter
  • 5,5 % Xyliance

Durch die guten konsistenzgebenden Eigenschaften des Xyliance ist die Zugabe eines weiteren Konsistenzgebers nicht nötig.

Grundformulierung mit 35 - 45 % Fettphase

Diese Formulierung ist eine weitaus reichhaltigere Creme, bei dieser die pflegenden und rückfettenden Komponenten erhöht werden - man gibt mehr Buttern & Wachse hinzu, um die feuchtigkeitsbewahrende, hautschützende und pflegende Wirkung zu verstärken.

  • 35 - 45 % Lipide
  • 35 % Basisöle
  • + ca. 2 % Wirkstofföle
  • + ca. 5 - 8 % Buttern 
  • 3 % Emulgator W/O (Lamecreme, Montanov® 202, Olivem®, Lanolin, Wollwachsalkohol)
  • 3 % Konsistenzgeber wie Cetylalkohol, Walrat-Ersatz, Myristyl-Myristat, Cetearyl-Alcohol (Lanette O®), Glyceryl-Stearate SE
  • 2 - 4 % Wachse
  • 60 - 65 % Wasser/Hydrolate

Die Rahmenrezeptur der klassischen "Cold Cream" - Grundformulierung mit 75 % Fettphase

Unter der "Cold Cream" versteht man eine sehr reichhaltige, öl-dominierte Creme, die mit wenigen Zutaten auskommt und eine hautschützende und sehr pflegende Formulierung ist. Ihre Rohstoffe sind okklusiv, also verschließend, sie bilden einen schützenden Film auf der Haut und schützen so die Haut vor Austrocknung. 

Sie wird vorwiegend zur schnellen Regeneration trockener Haut und zum Schutz vor Feuchtigkeitsverlust verwendet.

Der Name Cold Cream bezieht sich auf das leichte Kältegefühl, das die Creme erzeugt, wenn man sie auf der Haut aufträgt, da durch die Körperwärme der Wasseranteil verdunstet.

Diese "Cold Creams" werden traditionell im Winter hergestellt, wo sie als klassische Kältschutzcremen fungieren - ebenso können sie im Sommer die Basis für reichhaltige Sonnencremen sein, wenn die Haut besonders empfindlich und schutzbedürftig ist.

Für Babies und Kleinkinder eignet sich dieser Formulierungstyp ganz besonders, denn ihre Haut ist noch weitaus dünner als die eines Erwachsenen und daher kann diese "Schutzschicht" wertvolle Dienste leisten. Auch in der Seniorenpflege wird sie gerne verwendet, denn auch die alternde Haut wird immer dünner und kann die Feuchtigkeit schlecht "behalten".

Auch als Abschmink- und Reinigungsformulierungen werden diese einfachen "Cold Creams" immer beliebter.

In Frankreich wird die Cold Cream oft als "Cérat de Galien" bezeichnet, der Name geht auf den griechischen Arzt Galenos aus der Antike zurück: Er mischte im 2. Jahrhundert eine Creme aus Mandelöl bzw. Olivenöl, Bienenwachs, Rosenwasser und ätherischem Rosenöl.

Das Ursprungsrezept von Galenos lautete wie folgt:

Nimm von weißem Wachs vier Unzen, Oyl von Rosen Omphacine ein Pfund; in einem Doppelgefäß schmelzen, dann in ein anderes Gefäß schütten, nach und nach in kaltem Wasser von einem in das andere schütten und dabei rühren, bis es weiß ist; Zuletzt wasche es in Rosenwasser und füge ein wenig Rosenwasser und Rosenessig hinzu. 

Das Grundrezept
  • 7 % Bienenwachs
  • 60 % Erdnussöl
  • 8 % Cetyl-Palmitat
  • 25 % dest. Wasser

In "modernen" Cold Creams wird der hohe Anteil an Erdnussöl meistens zwischen Mandelöl, Olivenöl, Macadamianussöl und/oder Jojobaöl aufgeteilt.

Industrielle Kosmetikhersteller verwenden statt der Pflanzenöle leider gerne Erdölderivante, also das klassische Vaseline.

Beispielrezeptur mit Austauschmöglichkeiten

So könnte dann ein "echtes" Rezept mit 25 % Fettphase aussehen (gerechnet auf 100 g Creme):

Formulierungsvorschlag mit 25 % Fettphase auf 100 g Creme

  • 10 g Jojobaöl
  • 11 g Mandelöl
  • 2 g Wildrosenöl
  • 2 g Sheabutter
  • 1 % Bienenwachs
  • 2 g Montanov® 68/2 g Emulsan/2 g Temulgator/2 g Lamecreme +
  • 2 g Cetylalkohol/2 g Walrat-Ersatz/2 g Myristyl-Myristate/2 g Cetearyl-Alcohol LanetteO®/2 g Glyceryl-Stearate SE*

*diese Emulgatoren & Konsistenzgeber kannst Du alle untereinander austauschen, wenn die Menge die gleiche bleibt

oder

  • 4 g Lanolin +
  • 4 g Cetylalkohol/4 g Walrat-Ersatz/4 g Myristyl-Myristate/4gCetearyl-Alcohol LanetteO®/4 g Glyceryl-Stearate SE* +
  • 1 g Gelbildner Xanthan in der Wasserphase lösen

Auch diese können beliebig untereinander ausgetauscht werden, wenn die Menge gleich bleibt.

oder

  • 3 g Emulsan/3 g Montanov®68/3 g Lamecreme +
  • 2 g Phospholipon®
  • + bei jeder Möglichkeit immer: 70 % Wasser/Hydrolate
Fazit

Wenn Du die Grundeigenschaften eines Emulgators beachtest und diesen mit dem richtigen Co-Emulgator bzw. Gelbildner für die Wassertröpfchen stützt, dann kann bei der Formulierung nichts mehr schief gehen!

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Wir freuen uns über Ihre Rührerfahrung und veröffentlichen diese gerne an dieser Stelle.

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